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Offener Brief vom BVT-Vorsitzenden

Offener Brief vom BVT-Vorsitzenden

an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner

Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft

Julia Klöckner

Wilhelmstr. 54

10117 Berlin

 

Sehr geehrte Frau Ministerin,

voll Sorge beobachten wir die Stagnation in vielen Bereichen Ihres Ministeriums und irritierende Fehlentscheidungen insbesondere im Bereich des Tierschutzes.

Immer noch geben Sie der Intensivtierhaltung freies Geleit, obwohl klar ist, dass neben den immensen Tierschutzproblemen gerade diese Tierhaltung zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen führt  und einen großen Anteil am Klimawandel hat.

Konzepte zur Gestaltung einer modernen naturnahen und ökologisch intelligenten Agrarpolitik fehlen. Aber eben auch ethische Fragen und Probleme, wie sie die Intensivtierhaltung mit sich bringt, werden von Ihnen ignoriert. Wie sollen wir unseren Kindern erklären, wie unsere Gesellschaft heutzutage mit lebenden Kreaturen wie Hühnern, Schweinen, Rindern umgeht und sie zu Lieferanten für Billigfleischprodukte degradiert?!

Ganz offensichtlich sind weder Lehren aus den Skandalen wie Schweinepest, Geflügelgrippe oder BSE des letzten Jahrzehnts gezogen worden noch wird zu den drängenden Fragen einer ethisch verantwortbaren Tierhaltung Stellung bezogen.

Im Gegenteil: Sie erlauben nach zehn Jahren "Anlauf" weitere zwei Jahre Ferkel-Kastration ohne Betäubung. Und das ohne vernünftigen Grund, sondern lediglich, um der Agrarlobby mehr Gewinn zu ermöglichen. Alternativen bleiben unerwähnt. Statt auf Verfahren zu setzen, bei denen die Tiere unversehrt bleiben - die Jungebermast und die Impfung mit Improvac sind in der Landwirtschaft erprobte und bewährte Verfahren - setzen Sie zukünftig weiter auf die chirurgische Kastration und geben hierfür sogar den Tierärztevorbehalt für die Verabreichung von Narkotika auf.  Sie verstoßen hier nicht nur klar gegen das Tierschutzgesetz, sondern auch gegen die Würde von Lebewesen, mit denen wir den Planeten teilen.

Auch nach der Gerichtsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig vom 13.06.2019 könnte der Gesetzgeber Klarheit schaffen, dass das Töten von männlichen Küken aus rein wirtschaftlicher Erwägung keine Zukunft hat. Ihr Ministerium beugt sich auch hier abermals den Interessen der Landwirtschaftslobby und fördert mit Millionen Steuergeldern Verfahren zur Geschlechterfrüherkennung, obwohl klar ist, dass das Festhalten an der Hochleistungszucht der falsche Weg ist.

 Vor zwei Jahren sind Sie eigenen Aussagen nach angetreten, um Bienen zu retten, um Reformen einzuleiten und die Landwirtschaft zu erneuern. Nichts dergleichen ist auch nur im Ansatz erkennbar. "Was den Bienen schadet...." dieser Satz von Ihnen ist in etwa zwei Jahre alt. Wie viele Bienen sind wohl in der Zeit bis jetzt an Umweltgiften gestorben? Was glauben Sie, hinterlassen wir unseren Nachfahren?

Und nicht nur das: Langfristig gesehen wird unser eigenes Überleben nur gesichert werden können, wenn wir mit den Ressourcen unserer Erde sinnvoll, ökologisch maßvoll und nachhaltig umgehen. Ihr Ministerium, das eine Schlüsselposition in dieser Hinsicht einnimmt, bleibt stumm, taub und blind.

Das Bild, das Sie in der Öffentlichkeit bieten, ist in unseren Augen verheerend.

Ihre Haltung und Ihr Schweigen in Anbetracht eines so dringenden Reformbedarfs sind plausibel nur mit einem enormen Einfluss einiger Lobbygruppen zu erklären. Aber ist die Steigerung einer Gewinnmarge für Einzelne alles, woran sich eine gesellschaftsnotwendige Erneuerung des Agrarsektors orientiert? Welche Werte legen wir unserem Handeln zugrunde?

Wir sollten Opfer bringen können, aber eben nicht unsere wertvollsten Güter opfern müssen.

Enthaltungen Ihres Ministeriums sind nur zu erklären, wenn man annimmt, Sie schützten diejenigen, die nicht das Wohl unserer Gesellschaft zum Ziel haben, sondern einzig und allein die Steigerung von Dividenden ihrer Aktionäre.

Von der Leitung eines so wichtigen Ministeriums erwarten wir Innovation und Weitblick, damit zukünftige Generationen eine Welt vorfinden, deren Böden nicht ausgelaugt, das Trinkwasser nicht verseucht und die Luft nicht verschmutzt ist.

Wir fordern deshalb:

  1. Eine Neuausrichtung der Agrarpolitik zur Umsetzung einer umweltschonenden, nachhaltigen und tiergerechten Landwirtschaft
  2. Die sofortige Abschaffung der Ferkelkastration ohne Betäubung
  3. Die Unterstützung der Bruderhahnaufzuchten
  4. Die effektive Verhinderung von Billigfleischprodukten auf dem Markt
  5. Eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren der Landwirtschaft, wie sie in den letzten Jahrzehnten betrieben wurde
  6. Das Verbot von Insektiziden und die massive Beschränkung von Chemikalien in der Landwirtschaft.

 Um Stellungnahme dazu wird gebeten.

 

Dr. Fred Willitzkat

Tierarzt und Vorsitzender Bundesverband Tierschutz e.V.

 





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