An die Obersten Veterinärbehörden der Bundesländer
Abfertigung von Tiertransporten in Drittländer
24.01.2025
Sehr geehrte Damen und Herren,
anlässlich der äußerst unsicheren Tierseuchenlage bitten wir um Auskunft, wie Sie derzeit mit Genehmigungen von Tiertransporten in Drittländer verfahren und bitten um einen kompletten Abfertigungs-Stopp in Länder außerhalb der EU. Es kann nicht sichergestellt werden, dass die Tiere in den Zielländern angenommen werden. Dies kann in einer Katastrophe enden, wie der Fall der 69 Zuchtfärsen, die an der bulgarisch-türkischen Grenze vier Wochen lang feststeckten gezeigt hat.1
In Anbetracht der Tatsache, dass aus Deutschland in 2024 mehr Tiere in Drittländer abgefertigt wurden als im Jahr 2023, möchten wir Sie darüber informieren, dass am 23.11.2023 der Artikel „Prüfpunkte nach Art 21 Abs 2 OCR zu den Tierschutzauflagen beim Transport von Tieren: Vorstellung einer Checkliste für Rinderexporte“ von den Autoren Dr. Alexander Rabitsch und Dr. Peter Scheibl in der Zeitschrift Tier- und Artenschutz in Recht und Praxis (TiRuP) Jahrgang 2023, Heft 7 (2023)2 veröffentlicht wurde.
Der Artikel enthält eine Checkliste mit Prüfpunkten, die bei Genehmigungen von Tiertransporten angewendet werden müssen. Die Prüfpunkte basieren auf geltendem Recht und legen dieses entsprechend aus. Die Checkliste dient zur Anwendung für Veterinärämter, die grenzüberschreitende, lange Tiertransporte prüfen müssen, bevor sie genehmigt oder abgelehnt werden. Die Inhalte der Checkliste decken sich mit den Inhalten des Handbuchs Tiertransporte3.
Im Gegensatz zum Handbuch Tiertransporte sind in der Checkliste die notwendigen Prüfkriterien jedoch klar erkennbar und anwendbar. So kann sichergestellt werden, dass das geltende Recht voll umfänglich implementiert wird und Tiertransporte, die einer solchen Prüfung nicht standhalten, mit rechtlich sicherer Argumentation abgelehnt werden. So müssen den Autoren zufolge Transporte abgelehnt werden, wenn einer der Prüfpunkte mit nein beantwortet werden muss.
Transportmittel, die im Drittland genutzt werden, bedürfen, ebenso wie Transportmittel auf EU-Seite, eines Zulassungsnachweises. Wir weisen darauf hin, dass die Identifikation des im Drittland genutzten Transportfahrzeugs in der Transportplanung einzutragen ist, so wie dies auch für das Transportfahrzeug auf EU-Seite der Fall ist (durch Eintragung der Nummernschilder der im Drittland genutzten Fahrzeuge). Der Bestimmungsort muss nachvollziehbar sein, das heißt er muss mit vollständiger Adresse und mit Geodaten eingetragen werden, so dass er eindeutig über Google Maps zu finden ist. Der Bestimmungsort muss einen plausiblen Ort (Stall, Farm) darstellen, in dem Tiere mind. 48 Stunden lang untergebracht und versorgt werden können. Die plausible Nachvollziehbarkeit mit Angabe von Geodaten und vollständigen Adressen gilt ebenso für Pausen- und jegliche Versorgungsstationen, die darüber hinaus unabhängig zertifiziert worden sein müssen. Ein Echtzeitzugang zu Navigationsdaten wird als Voraussetzung für eine Genehmigung gesehen (Prüfpunkt 11).
Die Autoren regen an, die Anforderungen der Checkliste in einen Erlass aufzunehmen und die Veterinärbehörden einschlägig zu schulen. Wir bitten Sie, dies zu tun.
Wird ein Tiertransport in ein Drittland aus Gründen, die aus der Checkliste hervorgehen, verweigert, so ist die Verweigerung im Falle einer Klage des Transportorganisators vor Gericht mit viel größerer Wahrscheinlichkeit haltbar, sofern der Prüfpunkt nicht erfüllt wurde. Ebenso ist ein entsprechender Erlass wahrscheinlich vor Gericht haltbarer, der auf den Inhalten der Checkliste beruht.
Amtsveterinär:innen, die Tiertransporte genehmigen, die auf unplausiblen Transportplanungen beruhen, begehen eine Ordnungswidrigkeit und machen sich sogar möglicherweise der Beihilfe zur Tierquälerei schuldig, also strafbar, wenn aufgrund einer entsprechenden Genehmigung Tieren während oder in Folge der Transporte, auch in den Zielländern selbst, Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, vor allem, wenn diese voraussehbar sind. Wir möchten Sie außerdem über folgende Antworten der Bundesregierung in einer kleinen Anfrage (Antwort vom 6.10.2023)4 informieren.
Die Bundesregierung stellt in ihrer Antwort zu Frage 6 klar, dass es bisher keine unabhängig zertifizierten Versorgungsstellen in Drittländern gibt. Wie aus der Antwort hervorgeht, wurde den Wirtschaftsbeteiligten bereits seit März 2021 aufgetragen, eine Zertifizierung der Versorgungsstellen und eine Akkreditierung der entsprechenden Konformitätsbewertungsstelle (z.B. TÜV) durch das DAkkS vorzunehmen, was jedoch von Wirtschaftsseite offensichtlich nicht erbracht werden wollte.
Daraus folgt, dass Genehmigungen, bei denen eine Versorgungsstelle im Drittland anfällt, nicht genehmigungsfähig sind. Wir bitten Sie, dies bei zukünftigen Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.
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1 https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-schutzlos-ausgeliefert-100.html
2 https://www.tirup.at/periodical/titleinfo/9355276
4 https://dserver.bundestag.de/btd/20/086/2008682.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Jürgensen
Director Policy and Advocacy Germany
VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz
Mahi Klosterhalfen
Präsident
Albert Schweitzer Stiftung
für unsere Mitwelt
Dr. jur.Ricarda Dill
Vorsitzende
PROVIEH e.V.
Claudia Lotz
Vorsitzende
Bundesverband
Tierschutz e.V.
Karsten Plücker
Vorsitzender, Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.
Christine Ledermann
Vorsitzende, Menschen für Tierrechte e.V.